Freiheit
Neugierig muss Joseph Haydn gewesen sein: Abseits der umfangreichen Verpflichtungen für die Musik am Hofe des Fürsten Esterhazy fand er im Streichquartett das ideale Versuchsfeld. In den Quartetten aus op. 9 finden sich Ideen, die erst sehr viel später in Sinfonien und Sonaten ihren Niederschlag finden. Das klingt beim Leipziger Streichquartett, das hier mit den Quartetten 1 bis 3 den Aufschlag macht, so frisch und neu, als wäre es gerade aus der Feder geflossen.
Fortschritt
Immerhin zehn Jahre Kompositionserfahrung liegen zwischen Haydns ersten Versuchen in der Gattung und den sechs Quartetten op. 9. Die Stücke verlangen gerade der ersten Violine immer wieder aberwitzig virtuose Passagen ab, manche Sätze erinnern mit bravouröser Kadenz gar an ein Violinkonzert. Jedoch überrascht insgesamt die weit fortgeschrittene Ausgewogenheit der Stimmen. Fernab davon, nur einfach Begleitung zu sein, finden sich auch in den Unterstimmen manch anspruchsvolle Details.
Feststellung
Grandios und gleichzeitig anrührend geben sich die langsamen Sätze, die in den Quartetten op. 9 stets an dritter Stelle stehen. Weite Melodiebögen geben dem Primarius opulente Gelegenheit zum Schwelgen und zum „sprechenden“ Gesang, um schließlich Raum zu schaffen für einen ebenso spritzig wie kapriziös hereinfahrenden Schlusssatz.
Federstrich
Das ist nicht zuletzt italienischem Einfluss geschuldet, neben Sammartini hinterlässt aber auch Carl Philip Emanuel Bach seine Spuren, die Themen wirken wie hingeworfen, gewinnen immens an Leichtigkeit, die Werke werden zunehmend individueller. Es ist nicht überliefert, was Haydns Dienstherr von den Neuerungen hielt; mit dem historisch informierten Leipziger Streichquartett dürfte er sicher ganz besonderen Gefallen daran gefunden haben.