beispiellos
Zeitgleich mit Arnold Schönberg entwickelte Josef Matthias Hauer ein sehr eigenes System für das zwölftönige Komponieren. Die Werke der beiden Österreicher könnten unterschiedlicher nicht sein, wie Steffen Schleiermacher in mehreren CD-Produktionen eindrucksvoll dokumentiert hat. Jetzt hat der umtriebige Pianist sich der frühesten Werke Hauers angenommen und liefert damit einen spannenden Einblick in ein bedeutendes Kapitel der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts.
anspruchsvoll
„Nomos“ nennt Hauer sein Opus 1. Damit verbunden ist ein großer Anspruch: Gleich einem Naturgesetz sei in dieser Komposition bereits alles enthalten, was Musik ausmache; neue Werke seien nur weitere Ausarbeitungen. Das Publikum konnte Hauer seinerzeit freilich darin nicht folgen – die Uraufführung der Orchesterfassung fand sogar erst 30 Jahre nach Hauers Tod statt.
Ätherisch
Von den wenigen Werken Hauers, die es ab und zu auf heutige Programmzettel schaffen, sind die „Nachklangstudien“, die in ihrer zarten Faktur eine ganz besondere, irgendwie orientalische Aura entfalten, wohl die bekanntesten. Ganz anders die „Fünf kleinen Stücke“ aus demselben Jahr, die mit Reminiszenzen an Reger und andere Kontrapunktiker dagegen fast schon traditionell wirken.
bildhaft
Geradezu rätselhaft ist der Zyklus „Musik-Film“. Die 21 Charakterstücke tragen programmatische Titel, als ob sie zur Illustration eines Stummfilms gedacht seien – oder sind sie gar eine Parodie dieses Genres? Hauer jedenfalls wollte die Sammlung eigentlich unter Pseudonym veröffentlichen. Und tatsächlich haben die Stücke mit Hauers sonstiger Tonsprache nichts gemein. Steffen Schleiermacher nähert sich diesem Werk jedoch mit derselben Ernsthaftigkeit, die er auch den anderen Stücken angedeihen lässt, und es gelingt ihm die faszinierende Ehrenrettung für einen zu Unrecht nahezu völlig Vergessenen.