Papa ante portas
Herzlichen Glückwunsch, Wilhelm Friedemann: Zum
300. Geburtstag des „Hallenser Bachs“ im Jahr 2010 hat
Siegbert Rampe einige Klavierwerke von Johann
Sebastians ältestem Sohn erstmals und auf Original-
Instrumenten eingespielt. Die Aufnahme zum Jubiläumsjahr
ergänzt das vertraute Bild von Wilhelm Friedemann
Bach als genialem Improvisator eindrucksvoll um das
eines Komponisten, der im Schatten seines Übervaters
musikalisch und spieltechnisch außerordentlich
anspruchsvolle Werke schrieb.
Federhalter
Kein anderer Bach-Sohn wurde schon in früher Kindheit
so gefördert wie Wilhelm Friedemann: Bereits im Alter
von neun Jahren begann die Ausbildung zum
Organisten, spielerisch animierte ihn der Thomas-Kantor
nebenbei zu den ersten Kompositionen. 1726 ließ
Johann Sebastian Bach seinen Ältesten für ein Jahr die
Schule unterbrechen, damit er sich zum Geiger fortbilden
konnte. 1733 verfasste Bach Senior eigenhändig die
Bewerbung seines Sohnes als Organist an der Dresdner
Sophienkirche. 13 Jahre später erhielt der Junior zum
zweiten Mal Rückenwind des Vaters: Mit Erfolg bewarb
er sich in Halle als Musikdirektor und Organist der
Liebfrauenkirche – zwei Positionen, die er 18 Jahre inne
hatte. Die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens
konzentrierte sich der „Hallenser Bach“ aufs Unterrichten
sowie seine berühmten Improvisationen auf Cembalo
und Orgel.
Konzertierte Aktion
12 Polonoises pour le Clavecin gehören in Fachkreisen
zu seinen bekanntesten Werken: Wilhelm Friedmann
Bach hat diese unterschiedlichen Charakterstücke in
zwei Etappen über Jahre hinweg mit großer Sorgfalt auf
Papier ausgearbeitet. Er selbst spricht sogar von
Konzertstücken, deren Gestus die überschwängliche
frühromantische Gefühlswelt gleichsam musikalisch
antizipiert. Welchen Gegensatz bilden hierzu die in
Dresden entstandene Fantasia und die in Halle
komponierte Es-Dur-Sonate aus dem Jahr 1748!
Quadratur des Kreises
Für die Einspielung der Sonate hat Siegbert Rampe
einen Original-Tangentenflügel aus dem Jahr 1788
ausgewählt, ein Hammerflügel mit Tangentenmechanik,
wie er damals im deutschen Sprachraum Hochkonjunktur
hatte. Die 12 Polonaisen und die Fantasie präsentiert
uns der Experte für alte Instrumente auf der Kopie jenes
Cembalos, das Wilhelm Friedemann Bach 1733 als
Aussteuer von seinem Vater erhalten hatte und dessen
Original heute im Berliner Musikinstrumenten-Museum
zu sehen ist.