In der Bar
New York in den 1950er Jahren: In der „Cedar Bar“
verkehren ambitionierte Künstler unterschiedlichster
Herkunft und streiten lebhaft über die Zukunft von
Kunst und Musik. Neben bildenden Künstlern wie
Jackson Pollock, Robert Rauschenberg und Jasper
Johns sind es vor allem die Komponisten John Cage,
Morton Feldman, Earl Brown und Christian Wolff.
Steffen Schleiermacher beleuchtet mit dem Ensemble
Avantgarde diese explosive Mischung und liefert
erstaunliche Erkenntnisse: Obwohl die vier
Komponisten oft als Gruppe auftraten, unterscheiden
sich die Werke radikal voneinander – eine
faszinierende Reise zu den gewaltigen Eruptionen
künstlerischer Auseinandersetzung.
Ohne Worte
Alles, wirklich alles steht zur Disposition. Auswahl der
Instrumente? Bleibt dem Interpreten überlassen!
Tempo? Wähle selbst! Reihenfolge der Töne? Dir
wird schon was einfallen! Hinter allem steht die Frage:
Was ist meine Rolle als Komponist? Was darf, was
muss ich dem Interpreten vorschreiben? Wie bringe
ich die Kreativität der Ausführenden möglichst uneingeschränkt
zur Entfaltung? Hergebrachte Spielgewohnheiten
werden grundsätzlich in Frage gestellt.
Bedienungsanleitung: Fehlanzeige!
Con Text
Earl Brown liefert in „December 52“ aus der Reihe
„Folio“ eine Partitur, die an eine Grafik Piet
Mondriaans erinnert; Natürlich lässt diese Vorlage
alles zu, bis zur vollständigen Improvisation. Das
Ensemble Avantgarde entscheidet sich für eine
„textnahe“ Interpretation: Bestimmte grafische
Elemente werden musikalischen Parametern
zugeordnet, das karge „Bild“ in adäquaten Klang
transformiert. Um den enormen Grad an Freiheit zu
verdeutlichen, gibt es eine zweite Version, diesmal
wird die „Partitur“ um 90° gedreht ... Ebenfalls zwei
Versionen gibt es von Christian Wolffs „In Between
Pieces“, die musikalische Reaktionen verbalisieren
und so das Zusammenspiel an sich thematisieren.
angesagt
Da erscheint Morton Feldmans „Why Pattern?“
geradezu konventionell: Tempo und Tonhöhe sind
vorgegeben, doch Vorsicht! Bereits minimale Abweichungen,
die absolut unvermeidlich sind, führen zu
völlig neuen Zusammenklängen; die beachtliche
Länge des Werkes trägt ihren Teil dazu bei. Und in
„Two“, eines von John Cages berühmten „Number
Pieces“, bleiben den Instrumentalisten reichlich
Freiheiten in Tempo und Zusammenklang, die das
Ensemble Avantgarde ausgiebig nutzt: Ein spannendes
Experiment, das auch nach sechzig Jahren noch
überaus frisch und unverbraucht daherkommt.