begleitet
Gibt, oder besser: gab es die originäre „DDR-Musik“? Steffen Schleiermacher, in Halle an der Saale aufgewachsen, hat sich auf Spurensuche begeben und Stücke seiner Wegbegleiter herausgesucht. Lehrer aus Leipziger und (Ost-)Berliner Studienzeiten sind darunter, wie Siegfried Thiele, Friedrich Goldmann oder Friedrich Schenker; daneben aber auch frühere und gegenwärtige Freunde und inspirierende Künstlerpersönlichkeiten wie Reiner Bredemeyer, Hermann Keller und Nikolaus Richter de Vroe, Knut Müller und Wolfgang Heisig. Herausgekommen ist eine überraschend vielfarbige Zusammenstellung, die gründlich mit etlichen Vorurteilen über die Musikszene der DDR aufräumt.

offen
Keineswegs nämlich war die zeitgenössische Musik in der DDR vom Rest der Welt abgekoppelt. Friedrich Goldmann, frankophil bis ans Lebensende, hat sich intensiv mit den Werken von Olivier Messiaen und Pièrre Boulez auseinandergesetzt; sein drittes Klavierstück ist eine explizite Hommage an Messiaen. John Cage wiederum hat tiefe Spuren im Schaffen von Nikolaus Richter de Vroe hinterlassen. Und Thomas Müller sorgte für Aufführungen von Stockhausen, Kurtag und Cage – die Avantgarde war auch in der DDR auf der Höhe der Zeit.

aufrecht
Und doch ist auch immer wieder das Politische präsent: Wenn etwa Friedrich Goldmann über sein viertes Klavierstück von einer „Idylle mit Stacheldraht“ spricht, ist die Assoziation mit der Grenzsicherung der DDR wohl nicht unbeabsichtigt; oder die Spielanweisung zu Reiner Bredemeyers „Klavierstück 3“: „Der Spieler ergänzt, kontert, kommentiert und synchronisiert mit geschlossenem Mund summend" – wer dachte da nicht an die eingeschränkte Meinungsfreiheit? Wenn Friedrich Schenker hingegen sein Klavierstück von 1972 als „Hommage à Arnold Schoenberg“ betitelt, ist das heute kaum als politisches Statement zu verstehen. Bedenkt man jedoch, dass Schönberg bis Mitte der 1970er Jahre im Osten als „formalistisch unerwünscht“ galt, mag man die Entschlossenheit erahnen, sich nicht von einer Kulturbürokratie am Gängelband führen zu lassen.

gut!
Wolfgang Heisig hat sich vor allem durch seinen Einsatz für mechanische Musikinstrumente und die Musik Conlon Nancarrows einen Namen gemacht. Seine Klavierstücke sind von verblüffender Einfachheit: „Schade“ besteht nur aus den Tönen, die der Titel schon vorgibt: Es – C – H – A – D – E. Und „Leuchtreklame“ spielt mit der berühmten, nie 100%ig funktionierenden Leipziger „Löffelfamilie“… Was selbstverständlich keine politische Aussage ist. Wenn es eine Gemeinsamkeit zwischen allen von Steffen Schleiermacher hier zusammengetragenen Stücken gibt, dann ist es die hohe kompositorische Qualität: Eine lohnenswerte Begegnung!