Bildersturm
Zerbrechliches Pianissimo, packender Rhythmus,
große melodische Geste, brachialer Lärm: Steffen
Schleiermachers Werke loten klangliche Extreme aus.
Angeregt von Meisterwerken der bildenden Kunst,
findet der weltgewandte Komponist zu einer überaus
sinnlichen Ausdrucksvielfalt, die in der zeitgenössischen
Musik ihresgleichen sucht. Gemeinsam
mit dem Ensemble Avantgarde, dem Sonic.Art
Saxophonquartett und Wolfgang Heisig am
mechanischen Klavier schafft Schleiermacher ein
hörenswertes Selbstportrait, das nicht nur Kenner der
Neuen Musik begeistern wird.
Sprengkraft
Über reine Vertonung der bildlichen Vorlage gehen
Schleiermachers Kompositionen weit hinaus. Hans
Hartungs wilde Striche in „Taches“, Emil Noldes sanft
verschwimmende Farben in „Aquarell“ oder die
unerhörte Expressivität eines Max Beckmann im
„Portrait mit Saxophon“, das alle bekannten Grenzen
des Instruments zu sprengen scheint – stets sind es
die besonderen Aspekte, die den Klangkünstler
inspirieren.
Balanceakt
Von ganz besonderem Reiz sind die „Klangketten“,
die sich auf Alexander Calders fragile kinetische
Skulpturen und Mobiles bezieht. Wie zufällig changiert
die Fläche aus Flöte, Vibrafon und Klavier, ein
Windhauch treibt die Bewegung sachte in eine andere
Richtung, und doch bleibt das ganze Gebilde in einem
beweglichen Gleichgewicht. Das ist bei Paul Klee akut
gefährdet: „Schwankendes Gleichgewicht“ ist für das
Saxophonquartett nur mühsam zu halten, immer
wieder sind eruptive Ausgleichsaktionen erforderlich,
bevor mit dem fulminanten Schlusspunkt die Erdung
erreicht wird.
Steptanz
Für das mechanische Klavier, hier von Wolfgang
Heisig mit der Phonola ausgeführt, hat
Schleiermacher den aberwitzigen „Treppentänzer“ in
Anlehnung an Oskar Schlemmer gesetzt. Als Zugabe
kommt Händels berühmte g-Moll-Passacaglia in einer
grotesk wilden Version auf der Phonola zum Einsatz –
eine schöne Brücke zwischen Schlemmer, der das
Stück für sein Triadisches Ballett verwandte, und
Schleiermacher, der wie Händel aus Halle stammt
und mit dieser feinen Werkschau in wahrhaft würdiger
Nachfolge steht.