Tortilla
Eines der pianistisch faszinierendsten Klangkapitel
des 20. Jahrhunderts wird neu aufgeschlagen: Die
bahnbrechenden Studies for Player Piano des
Amerikaners Conlon Nancarrow liegen als
Neueinspielung vor. Schon bei der ersten von fünf
geplanten CDs überrascht MDG mit bisher nicht
veröffentlichten Werken. Damit feiert das
„Wohltemperierte Klavier des 20. Jahrhunderts“ eine
phänomenale Auferstehung.
Tequilla
Nancarrow, 1912 in Arkansas geboren, passte von
Anfang an in keine gängige Schublade. Zuerst Jazz-
Trompeter, studierte er „ein wenig“ am Konservatorium,
um sich später immer als Autodidakt zu
bezeichnen. Mit 25 Jahren zog es ihn nach Spanien in
den Kampf gegen die Faschisten. Nach seiner
Rückkehr wurde er in den USA nicht mehr heimisch
und emigrierte nach Mexiko. In dieser selbst gewählten
Isolation schuf Nancarrow ein grandioses Werk für
ein Instrument, das es eigentlich gar nicht mehr gab:
Selbst spielende Klaviere hatten sich längst überholt.
Tacos
Dabei eröffnen die Werke des amerikanischen
Klangtüftlers völlig neue Klangwelten: 200 Anschläge
pro Sekunde (!) sind normal, schnellste Taktwechsel,
unterschiedliche Geschwindigkeiten in verschiedenen
Stimmen, dazu feinst abgestimmte Temposkalen und
Lautstärkesphären… Das menschliche Gehör ist
kaum in der Lage einzelne Töne zu erkennen. Ganz
zu schweigen davon, dass ein Pianist diese Klänge
niemals von Hand erzeugen könnte.
Nachos
Man nehme einen Lochstreifen, einen Flügel mit
Selbstspieleinrichtung – fertig ist das Konzert. Was in
fünf Minuten verklungen ist, bedeutete für den
Komponisten Monate harter Arbeit. Er musste Loch
für Loch stanzen, um Ton um Ton den Weg zu
bahnen: „Ich habe eine kleine musikalische Nische
entdeckt, aber ich glaube, ich hab sie gut erforscht.“
Mezcals
Die Neuaufnahme der Studies for Player Piano hätte
es ohne Jürgen Hocker nie gegeben: Der fanatische
Fan des amerikanischen Komponisten war es, der
Conlon Nancarrow immer wieder in Mexiko besuchte,
er war es, der jahrelang nach einem geeigneten
Selbstspielklavier suchte, der es restaurieren ließ und
der Kopien der Original-Lochstreifen anfertigte, um
die Nancarrow-Werke auf seinem eigenen
Bösendorfer-Ampico-Flügel mit speziell präparierten
Hämmern erklingen zu lassen.