Mit Vorsatz
Vor 100 Jahren hatten Phonolas und
Selbstspielklaviere Hochkonjunktur. Dabei ist die
Phonola ein Vorsetzer, der über eine mit Unterdruck
gesteuerte Mechanik die Tasten eines beliebigen
Klaviers spielen kann. Heutzutage sind sie seltene
Relikte aus vergangener Zeit. Wolfgang Heisig hält
einige dieser Raritäten einsatzbereit und hat
zeitgenössische Musik für Phonola initiiert, selbst
geschrieben und am „zeitgenössischen“ Steinway-
Konzertflügel aus dem Jahre 1901 in bester Akustik
eingespielt.
Mit Betonung
Schallplatten und Radios, geschweige denn
Computer, waren noch nicht erfunden, als zu Beginn
des 20. Jahrhunderts in den USA und in Deutschland
eine Vielzahl von Tüftlern mit der Entwicklung von
mechanisch spielenden Klavieren beschäftigt war, die
den gehobenen pianistischen Anforderungen
gewachsen waren. Die Ludwig Hupfeld AG in Leipzig
brachte 1902 ein solches Kunstspielklavier unter dem
Namen Phonola auf den Markt und hatte damit große
Erfolge. Eine mit Fußbetrieb betätigte Balganlage
(oder ein Saugmotor) erzeugen den Unterdruck, mit
dem Lochstreifen eine Mechanik steuern, um alle 88
Klaviertasten anzuschlagen. Im Gegensatz zu den
vollautomatischen Selbstspielklavieren kann der
Phonola-Spieler Einfluss nehmen auf Tempo,
Lautstärke und Betonung, verlässt sich aber
ansonsten auf die ebenso faszinierende wie heute
immer noch funktionierende Technik.
Mit Vorbild
Die Chancen der Selbstspielklaviere erkannte vor
allem Conlon Nancarrow, der sein Gesamtwerk dem
Selbstspielmechanismus anvertraute. Seine „Studies
for Player Piano“ gelten bis heute als
kompositorisches Schlüsselwerk des 20.
Jahrhunderts. In der von Heisig vorgelegten Auswahl
erklingt auch das berühmte „X-ray“ – seine Study Nr.
21, ein Werk, das wegen der rasenden
Geschwindigkeit und der Vielzahl der
angeschlagenen Töne manuell niemals aufführbar
wäre.
Mit 16%
Aber auch interessantes Neuland präsentiert
Wolfgang Heisig: Tom Johnson experimentiert mit der
Übertragung geometrischer Figuren auf den
Lochstreifen, Knut Müller lässt sich von antiken, den
Sonnenverlauf darstellenden Lochscheiben
inspirieren und Heisig selbst fügt eine ganze Reihe
von Eigenkompositionen an, unter denen die
Vertonungen der Gedichte Heinz D. Heisls und - als
Erinnerung an die Umstellung von DM in Euro - die
„Wut über den verlorenen Groschen“ herausragen.
Dabei spielt die Mehrwertsteuer als Maß für
Beschleunigung oder Verlangsamung ebenso eine
Rolle wie auch der „Umtausch“ aller D-Töne in €-
Töne…