Field
Zart und eingängig schweben einfache Melodien über
reich figurierten Harmonien und scheinen sich ins
Unendliche zu verlieren… Nein, das ist nicht von
Chopin: John Field ist der Verfasser dieser
zauberhaften Nocturnes, die bereits eine Generation
vor dem ungleich berühmteren Polen ausdrucksstarke
Romantik mit außergewöhnlichem pianistischen
Gespür verbinden. Stefan Irmer hat John Field jetzt
eine Edition sämtlicher Nocturnes gewidmet. Und dass
die besonders persönlich ausfällt, macht die erste
Folge dieser Neuaufnahme zu einem aufregenden
Klaviererlebnis.
Doppelpass
Field betrachtete seine Werke nie als abgeschlossen;
bei jeder Darbietung ließ er Neues einfließen, inspiriert
von den Umständen, vom Publikum und der Atmosphäre
des Augenblicks. Etliche Nocturnes sind
deshalb sogar in sehr unterschiedlichen Varianten
überliefert. Stefan Irmer nimmt dieses herausfordernde
Spiel auf: Mit den musikalischen Mitteln unserer Zeit
spinnt er Fields Musik fort, lässt sehr eigene
Gedanken einfließen, und auch Einflüsse von Jazz
und Tango machen sich bemerkbar. Ein augenzwinkernder
Spaß, an dem der Urheber seine Freude
gehabt hätte!
Hackentrick
Schlicht und eingängig erscheinen Fields Melodien.
Doch wer sich auf die Musik einlässt, verliert schnell
den roten Faden: Ganz im Geiste der noch nicht
einmal richtig begonnenen Romantik führt der Weg
immer wieder in die Irre, tauchen unerwartete
Wendungen auf, und das „Ziel“ verliert sich immer
mehr in der weiten Ferne des berauschenden Klangs.
Fields fantastisches, fantasievolles Improvisationstalent
hatte schon sein Lehrer Muzio Clementi
entdeckt: Der berühmte Klavierlehrer und -bauer
präsentierte seine Instrumente der zahlungskräftigen
Londoner Kundschaft, indem er den begabten Schüler
darauf frei fantasieren ließ. Mit einigem Erfolg, so ist zu
vermuten, denn der junge Field durfte Clementi dann
auf einer ausgedehnten Reise durch Europas
Musikzentren begleiten.
Steilvorlage
In St. Petersburg fand Field eine neue Heimat.
Möglicherweise zog ihn die russische Schwermütigkeit
an; die Seelenverwandtschaft ist im ausdrucksstarken
2. und im klagenden 8. Nocturne nicht zu überhören.
Wie geschaffen für Stefan Irmer, der sich nicht nur mit
seinen preisgekrönten Aufnahmen mit Musik von
Rossini und Clementi einen Namen gemacht hat. Mit
den Nocturnes von John Field entdeckt Irmer eine
lange unbeachtete Klangwelt, die auf dem Steinway
„Manfred Bürki“ von 1901 in unzähligen Nuancen zu
leuchten beginnt.