neugierig
Philipp Vogler und Stephan Schardt wagen ein
Experiment: Die drei Sonaten für Klavier und Violine von
Johannes Brahms, dargeboten auf einem original
erhaltenen Flügel aus der berühmten Werkstatt Johann
Baptist Streichers- nachweislich Brahms´ besonderer
Favorit - und einer Violine, die mit Darmsaiten bespannt
ist. Was zunächst, angesichts der klanglichen und
spieltechnischen Herausforderungen nach einem
waghalsigem Unterfangen aussieht, erweist sich als
beglückendes Erlebnis: Nie hat man Brahms so
transparent und voller federnd-dynamischer Energie
erfahren!
rätselhaft
Dazu trägt die Spielweise und die Wahl der Tempi bei,
die das historische Instrumentarium nahelegt. Brahms´
durchaus rätselhafte Tempoanweisungen erfüllen Vogler
und Schardt überzeugend mit Leben: Man höre nur
einmal den subkutanen Ländler im zweiten Satz der d-
Moll-Sonate! Dass es zum lebendigen Ausdruck keines
schwankenden Rubatos bedarf, zeigt sich besonders
eindrucksvoll in der Durchführung im ersten Satz: Mit
unerbittlicher Stringenz erzeugt die ostinate „Pauke“ im
Klavierbass einen unwiderstehlichen Sog, dem man sich
nicht entziehen kann.
sparsam
Die klangliche Mischung zwischen dem historischen
Flügel und dem darmbesaiteten Streichinstrument lässt
Brahms´ Instrumentation sofort plausibel werden. So
treten die polyrhythmischen Strukturen, die gleich zu
Beginn der G-Dur-Sonate alle möglichen Taktteilungen
gleichzeitig erscheinen lassen, mit einer Klarheit und
Transparenz zutage, die ihresgleichen sucht. Und wie
willkommen plötzlich ein gezielt eingesetztes Vibrato
einen Höhepunkt markiert, ist faszinierend zu erleben: In
der sparsamen Dosierung dieses Ausdrucksmittels hat
Stephan Schardt mit dem Brahms-Freund Joseph
Joachim ein authentisches Vorbild.
köstlich!
Auch in der Wahl von Bogenstrichen, Fingersätzen und
Portamenti orientiert Schardt sich an Joachim. Dass der
in der historischen Aufführungspraxis äußerst erfahrene
Violinist die Artikulations- und Ausdrucksmöglichkeiten,
die die Darmbesaitung auch durch gekonnte
Bogenführung bietet, voll auskostet, versteht sich von
selbst. Das ist besonders gut in der dreidimensionalen
Wiedergabe dieser Super Audio CD zu hören: In 2+2+2-
Wiedergabe gewinnen die vermeintlich altbekannten
Werke eine Frische, die das Wiederauflegen zum reinen
Vergnügen macht.