gerettet
So sieht gelungene Ökumene aus: Ohne Johann
Adam Hillers Adaption hätte Pergolesis „Stabat mater“
wohl niemals die heutige Popularität erreicht. Einen
gehörigen Anteil daran hat Friedrich Gottlieb
Klopstocks empfindsame Nachdichtung auf Deutsch,
die den in katholischem Kirchenlatein verfassten
Hymnus für evangelische Christen im Mutterland der
Reformation überhaupt erst verständlich macht. Dass
Hiller obendrein ein heute uneingeschränkt
anerkanntes Meisterwerk vor dem drohenden
Vergessen bewahrte, kann man auf der neuesten
Aufnahme mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben
aufs Schönste miterleben.
geklärt
Äußerst behutsam griff Hiller in Pergolesis
Komposition ein. Bläser treten hinzu, Harmonien
werden da und dort verstärkt, und einige solistische
Partien werden auch mit Männerstimmen besetzt. Die
neu gewonnene Farbigkeit kam dem Zeitgeschmack
sehr entgegen: Die kontrapunktisch-chromatische
Verzweiflung in Pergolesis Original weicht einer
versöhnlicheren Stimmung, genau passend für das
aufgeklärte Publikum.
gefeiert
Hillers eigene Kompositionen sind heute weitgehend
vergessen – völlig zu Unrecht, wie die eindrucksvolle
Stuttgarter Interpretation des 100. Psalms beweist.
Schon der festliche Eingang „Jauchzet dem Herrn,
alle Welt“ lässt aufhorchen: Hier spricht eine überaus
eigenständige Stimme, und in den sehr dankbaren
Solopartien können sich die Sänger auch von ihrer
virtuosen Seite präsentieren. Höchst anspruchsvoll ist
auch die Motette „Lass sich freuen alle“, die die
Stuttgarter Knaben mit jugendlicher Frische zu einem
Fest der a-cappella-Kunst machen.
gelungen
Dass Rainer Johannes Homburg mit seinen Hymnus-
Chorknaben eine Tradition fortsetzt, in der auch Hiller
als Leipziger Thomaskantor stand, macht aus dieser
Neuaufnahme ein Klangdokument von besonderem
Reiz. Dafür sorgt auch der luxuriöse MDG-Klang, der
in hochauflösender SACD-Technik die Musik in
greifbarer Natürlichkeit ins Wohnzimmer holt –
angemessene Ehrenrettung für ein großes Vorbild.