Malermeister
Mahler hat schwer um seine Werke gerungen. Etliche
Versuche des Jugendlichen gerieten nicht zur
Zufriedenheit und wurden vernichtet. Als dann endlich
„Das klagende Lied“ Gnade vor seinen kritischen
Augen fand, konstatierte er: „Mein erstes Werk, in
dem ich mich als ´Mahler´ gefunden!“ Es steht hier im
farbigen Kontrast zum Fragment der letzten Sinfonie
und des Blumine-Andante, das ursprünglich für die
erste Sinfonie vorgesehen war. Dem bestens aufgelegten
Beethoven Orchester Bonn unter der
findigen Stabführung von Stefan Blunier gelingt ein
faszinierend detaillierter Blick in Mahlers
Komponierstube.
Kulissenschieber
Das frühe Werk weist in der Tat alles auf, was auch
den späteren Mahler kennzeichnet: Nahezu
übergangslos wechselt beißende Ironie mit
schicksalhafter Tragik, gelöste Heiterkeit mit tiefstem
Ernst, kunstvolle Poesie mit schlichtem Volkston. Und
das Ganze auf der gespenstigen Bühne eines
schaurigen Märchenstoffs, der die seelische
Zerrissenheit des Komponisten ans Tageslicht zerrt.
Schauermann
Dieses Schwanken zwischen begeisterter Euphorie
und tiefster Depression wird Mahler bis zu seinem
Tode nicht verlassen. Und eigentlich war ihm klar,
dass er eine 10. Sinfonie (nach Beethovens 9.) nicht
vollenden würde. Immerhin hatte er ja zwei „Lieder
zyklen“ schon aus diesem Grunde bewusst aus seiner
symphonischen Zählung herausgenommen. Notizen
am Rande der Partitur machen den Blick in
persönliche Abgründe frei: „Für dich leben! Für dich
sterben! Almschi!“… Musste aus ähnlichen Gründen
das idyllische „Blumine“-Andante weichen, das
ursprünglich als zweiter Satz der ersten Sinfonie
angelegt war? Offenbar lugt auch hier das Unheil
bereits um die Ecke…
Stabführer
Stefan Blunier hat mit hervorragenden Programmen
und kluger Disposition in der letzten Zeit seinem
Beethoven Orchester Bonn einen sicheren Platz in
der Diskografie verschafft. Die feine 2+2+2-
Mehrkanalaufnahme im gewohnt schnörkellosem
Naturklang des Labels MDG bietet eine fantastische
Klangbühne, auf der Blunier mit expressivem Dirigat
die gewaltige Spanne von den fahlen, geradezu
leblosen Eingangstönen der Bratschen bis zum
schwelgerischen Kollossalklang scheinbar mühelos
bewältigt.