hautnah
Unfassbar bleibt das Verbrechen von Holocaust und
Weltkrieg. In einer ergreifenden Neuaufnahme setzt
sich Yeseul Moon mit drei sehr unterschiedlichen
künstlerischen Annäherungen an das Grauen aus
mehreren Generationen auseinander. Dabei zeigt
sich: Die Klavierwerke von Karl Amadeus Hartmann,
Gilead Mishory und Christopher Tarnow gehen auch
ohne erhobenen Zeigefinger unmittelbar unter die
Haut.
sichtbar
Hartmann war selbst noch Augenzeuge: Der
erschütternde Anblick eines Trecks von Überlebenden
aus dem KZ Dachau war Anlass für die Komposition
der Klaviersonate „27. April 1945“, die in
unbeschreiblicher Intensität das Gesehene aufgreift
und hier in der revidierten Fassung zu hören ist. Im
berührenden „Trauermarsch“ zitiert Hartmann das
Arbeiterlied „Brüder, zur Sonne zur Freiheit“.
deutlich
Gilead Mishory interpretiert mit seinen „Fluchtstücken“
den gleichnamigen, preisgekrönten Roman von Anne
Michaels. Die Geschichte um den Jungen Jakob
Beer, der seine komplette Familie im Holocaust
verliert, ist vielfach verschachtelt in Ort und Zeit.
Mishory nimmt diese komplexe Bild mit Hilfe
assoziativer Motive und
Zitate auf – eine grandiose Deutung der poetischen
Vorlage!
berührend
Auch Christopher Tarnow orientiert sich an einem
literarischen Vorbild: Hermann Hesses Texte drücken
eine unbeschreibliche Trauer aus, die Tarnow auf
sehr unterschiedliche Weise aufnimmt – als schlichte
Melodie, oder als „versunkenen“ Gesang. Yeseul
Moon nimmt sich die persönliche Betroffenheit hörbar
zu Herzen. Mit dem Scherzo aus der Frühfassung von
Hartmanns Sonate, das die „Internationale“ zitiert,
gelingt ihr ein fulminanter Abschluss dieses ebenso
faszinierenden wie sehr hörintensiven Programms.