Wegweiser
Georges Catoire war entscheidender Impulsgeber der modernen russischen Musik – und ist doch heute vollständig vergessen. Da kommt die neue Einspielung des Utrecht String Quartet wie gerufen: Mit Anna Zassimova als ausgewiesener Kennerin des Komponisten am Klavier spielen die Niederländer Catoires Klavierquintett, dazu das Streichquartett op. 23. Das ist Musik des Fin de Siècle, die ein Hauch von Abschied durchweht, wie er schöner kaum sein kann.
Kreisverkehr
Etwa gleichaltrig wie Strauss und Mahler, war Catoire ganz Kind seiner Zeit. Umfassend gebildet, sprach er mehrere Sprachen fließend und fühlte sich auch in der Mathematik zuhause. Seine Musik hat ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert: zu expressiver Harmonik gesellen sich fein ausgearbeitete rhythmische Strukturen; die kaum einmal symmetrischen Phrasen scheinen immer wieder in der Luft zu hängen.
Rückspiegel
Das macht die Werke für Interpreten wie Publikum gleichermaßen aufregend: Wie ein Strom entwickelt sich der Fluss der musikalischen Gedanken, nichts ist vorhersehbar. Mit der schmerzlich‐süßen Melancholie, die wehmütig auf das alte Russland zu schauen scheint, konnte die frühe Sowjetunion natürlich nichts anfangen. Dass er dennoch bis zu seinem frühen Tod 1926 am Moskauer Konservatorium unterrichten konnte, grenzt an ein Wunder.
Fernlicht
Anna Zassimova hat nicht nur etliche Werke Catoires auf Tonträger eingespielt, von ihr stammt auch die bisher einzige Monografie über den Komponisten. Die Leidenschaft der Pianistin springt auf das Utrecht String Quartet unüberhörbar über: Fundierter und begeisterter kann man sich eine Wiederentdeckung nicht wünschen!