Schlag auf Schlag
Nach dem großen Erfolg des „Golem“ von Eugen
d’Albert präsentiert uns das Beethoven Orchester
Bonn unter der Leitung von Stefan Blunier mit der
Oper „Irrelohe“ von Franz Schreker eine weitere
spannende Programmidee und ein Schlüsselwerk der
Moderne. Ein gewaltig mit sechs Schlagwerkern
auftrumpfendes Orchester schwelgt in Leidenschaft
und ungebremster Dynamik. Unter sicherlich nicht
einfachen Rahmenbedingungen des Bonner
Opernhauses ist den Technikern von MDG ein
faszinierender Live-Mitschnitt gelungen.
Sinnloses Feuer
Franz Schreker ist der Sohn eines jüdischen
Hofphotografen aus Böhmen. In den zwanziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts galt er als
einer der größten Opernkomponisten in Deutschland
nach Wagner. Seine Werke erreichten zeitweise
höhere Aufführungszahlen als diejenigen von Richard
Strauss. Von den Nationalsozialisten wurden seine
Kompositionen als „entartet“ diffamiert, landeten auf
dem Scheiterhaufen und gerieten nahezu in
Vergessenheit.
Sex and Crime
Die Uraufführung von Irrelohe dirigierte Otto
Klemperer 1924 in Köln, danach verlieren sich die
Spuren bis zu ihrer Wiederentdeckung Ende der 70er
Jahre. Schreker, der auch sein eigener Librettist ist,
fand den Titel „im Halbschlaf“ auf einer Bahnfahrt:
Irrelohe heißt eine verwunschene Station irgendwo
zwischen Dresden und Nürnberg, die absolut gar
nichts mit der erfundenen Geschichte zu tun hat. Aber
beschreibt Irrelohe nicht perfekt Zustand zwischen
Wahn und Feuerreigen, welcher der schier
unglaublichen Geschichte zu Grunde liegt, von
verrückten Grafen, unsäglicher Leidenschaft, Vergewaltigung,
kirchlicher Hochzeit, Fluch, unbändiger
Liebe und Brandstiftung?
Im Rausch der Sinne
Und was für schonungslose seelische Portraits
zeichnet Schreker in seine Partitur, sie könnten direkt
von Sigmund Freuds Couch entsprungen sein. Farbig
und eruptiv sind dann auch die Bühnenanweisungen,
wenn etwa der Brautzug im 3. Akt mit Fernorchester,
Chor, Orgelmusik und alles überragendem
Glockengeläut sämtliche Register der Dreidimensionalität
des 2+2+2-Recordings zieht. Das ist
überwältigend. Und die Musik entfaltet eine solche
Sogwirkung, dass einem die drei SACDs zu keinem
Zeitpunkt dieser zu lang erscheinen. Fazit: Ein viel zu
selten gehörtes, aber hoch spannendes Werk in einer
Wiedergabe, zu der man das Bonner Publikum (und
natürlich die Musiker) nur beglückwünschen kann.