Aufreißer
Schon einmal begeisterte Ben van Oosten mit einer
aufregenden Zusammenstellung englischer Orgelmusik
des 19. Jahrhunderts. Jetzt hat der Doyen der
romantischen Orgel nachgelegt: In Folge 2 des „Englischen
Orgelfestivals“ vereint er veritable Ohrwürmer
mit zumindest in Kontinentaleuropa völlig unbekannten
Originalkompositionen und Bearbeitungen. Natürlich
mit dabei: Edward Elgars Marsch Nr. 1 „Pomp
and Circumstance“, der nicht zuletzt die Besucher der
„Last Night of the Proms“ alljährlich aus den Sesseln
reißt.
Tag und Nacht
Elgar, selbst als Organist in Worcester tätig, hat nur
wenige Originalwerke für Orgel hinterlassen, darunter
eine große Sonate, die Ben van Oosten auf Folge 1
dieser Reihe eingespielt hat. Seine farbigen Orchesterwerke
und die vielfältigen klanglichen Möglichkeiten
der modernen Instrumente haben jedoch immer
wieder Zeitgenossen zu fantasievollen Adaptionen für
die Orgel angeregt. Van Oosten hat sich eines weiteren
Marsches sowie des zauberhaften Satzpaares
„Chanson de matin“ und „Chanson de nuit“ angenommen,
das Herbert Brewer, ein enger Freund
Elgars, bearbeitet hat.
Raffiniert
Auch Hubert Parry darf bei den „Proms“ nicht fehlen:
Seine Hymne „Jerusalem“ gehört in der „Last Night“
zur ehernen Tradition – unter lautstarker Beteiligung
des Publikums. „Fantasia and Fugue“ aus Parrys
letzten Lebensjahren greift auf die Tradition norddeutscher
Orgelmusik zurück, ohne auf die harmonischen
Raffinessen des 19. Jahrhunderts zu verzichten –
eine spannende Kombination, die in der doppelbödigen
„Fugue“ einen krönenden Abschluss erfährt. Der
vielleicht originellste Beitrag dieser Sammlung stammt
von Herbert Howells. Kühne Harmonien und lebendige
Rhythmen prägen Anfang und Ende seines „Psalm
Prelude“, ganz dem Psalmbeter folgend: „Singet dem
Herrn ein neues Lied!“
Doppelspitze
Dass auch die Werke von Samuel Wesley, Frank
Bridge, John Ireland, Alfred Hollins und Henry Smart
bei Ben van Oosten in den besten Händen und Füßen
sind, versteht sich von selbst. Kaum ein anderer Orgelvirtuose
kann auf eine derart umfangreiche Erfahrung
mit spätromantischer Orgelmusik zurückgreifen.
Die große Henry-Willis-Orgel in der Kathedrale von
Salisbury galt zur Zeit ihrer Erbauung als das schönste
Instrument überhaupt – und ist bis heute unverändert
erhalten. Van Oosten und Willis – das ideale
Gespann für eine längst überfällige Neuentdeckung
englischer Orgelkunst!