Entdeckung
Virtuose, Komponist, Didaktiker, Musikforscher: In der Person Emilio Pujols vereinen sich viele Talente. Niemand vor ihm (und kaum einer danach) hat sich so intensiv mit den klanglichen Feinheiten des Gitarrenspiels auseinandergesetzt wie der Tárrega- Schüler Pujol, dem Frank Bungarten auf seinem neuesten Album mit dieser Ersteinspielung die ehrende Reverenz erweist. Dass Bungarten dafür von Gary Southwell eigens ein Instrument hat bauen lassen, passt hervorragend zu der Akribie, mit der Pujol seine Miniaturen formte.
Feinarbeit
Denn mit seinem Lehrwerk „Escuela Razonada de la Guitarra“ zeigt Pujol einen systematischen Weg zur Perfektionierung der Spieltechnik auf der Gitarre auf, die seiner Meinung nach notwendig ist, um sich an die „richtige“ Musik zu wagen. Klangliche Differenzierung spielt eine wesentliche Rolle: Fingersätze geben minutiös vor, auf welcher Saite ein Ton zu spielen ist (mitunter ist es nur eine einzige); ein Stück ist gar nur von der linken Hand, also ganz ohne Zupfen mit rechts, auszuführen.
Volumen
Ähnlich wie sein Zeitgenosse Segovia orientiert sich Pujol stark an der Violine, Vorbilder von Paganini bis Ysaye schimmern in den Etüden immer mal wieder durch. Poetische Titel wie „Gesang der Vögel“, „Die Libelle“ oder „Herbstlied“ zeigen: Hier geht es nicht nur um Fingerfertigkeit. Nach Pujols Tod 1980 orientierten sich die meisten Gitarristen mehr am Klavier oder gar Cembalo, der gesanglich-volltönende Apoyando- Anschlag mit der vollen Fingerkuppe wurde durch das Tirando mit dem Nagel ersetzt – Meister wie Pujol gerieten in Vergessenheit.
Vorteil
Umso verdienstvoller ist Bungartens Einsatz für diesen Poeten an der Gitarre. Insbesondere die 15 Variationen über ein Thema von Dionisio Aguado sind auch für den Kenner eine echte Entdeckung. Die hochauflösende, liebevoll ausbalancierte Aufnahme bringt die klanglichen Raffinessen von Komposition, Bungartens Spiel und dem wundervollen Instrument – ein Torres-Nachbau aus der Sammlung des Pariser Conservatoire – aufs Vorteihafteste zur Geltung.