Wegweisend
So ist das, wenn man sich von Vorurteilen leiten
lässt: Emilie Mayers Zeitgenossen in der Mitte
des 19. Jahrhunderts blieb die herausragende
Qualität ihrer Kompositionen verborgen, weil sie
nur das Weib, nicht die Komponistin sahen.
Tatsächlich entsteht das Gefühl etwas
Großartiges verpasst zu haben, wenn man jetzt
die brandneue Super Audio CD der
Mecklenburgischen Staatskapelle hört: Mit
Chefdirigent Mark Rohde am Pult gelingt den
Schwerinern eine Ehrenrettung, wie sie
attraktiver nicht sein könnte.
Grenzen sprengend
Früh finanziell unabhängig, konnte Emilie Mayer
sich ganz der Leidenschaft des Komponierens
hingeben. Ihr Pech: Statt der allenfalls für Frauen
akzeptablen Salonmusik wagte sie sich an die
große Form. Allein acht Sinfonien flossen aus
ihrer Feder, dazu etliche Ouvertüren, von denen
zu ihren Lebzeiten nur die "Faust"-Ouvertüre im
Druck erschien.
emanzipierend
Interessanterweise stellt Mayer in ihrer „Faust“-
Deutung Gretchen in den Mittelpunkt, der
grüblerische Ernst tritt zugunsten Margarethens
Naivität und Frömmigkeit zurück. In den früheren
Werken orientiert sich die Komponistin an den
klassischen Vorbildern; die Ouvertüren Nr. 2 und
3 lassen Erinnerungen an Haydn und Mozart
anklingen. Aber auch das Romantische ist ihr
nicht fremd, die d-Moll-Ouvertüre entfaltet eine
Klangwelt, die schon an Bruckner denken lässt.
raumfüllend
Das umfangreichste Werk dieser verdienstvollen
Neuerscheinung ist die „Sinfonie militair“, deren
Entstehung vielleicht auf den Einfluss von
Mayers Lehrer, dem preußischen Militärmusiker
Wieprecht, zurückzuführen ist. Doch auch hier
findet Mayer einen sehr individuellen Zugang:
Statt triumphaler Klänge beendet ein Adagio von
tiefem Ernst das halbstündige Opus – ein
Schluss, der Raum für weitreichende
Assoziationen lässt.