Fernleihe
Auf seiner Reise in die illustren Zentren der norddeutschen
Orgelmusik nimmt uns Martin Rost diesmal mit ins barockprächtige
Lüneburg. Wenngleich die stolze Stadt unweit
Hamburgs den Höhepunkt ihres Glanzes bereits deutlich
überschritten hatte, wirkte der Ruf der hier wirkenden
Künstler dennoch bis ins ferne Thüringen, wo sich der knapp
15jährige Johann Sebastian Bach aufmachte, um seine
musikalischen Studien zu vollenden. Dass sich der Weg
auch heute noch lohnt, zeigt Martin Rost mit seiner Auswahl
an Lüneburger Kompositionen, die er an seiner Stellwagen-
Orgel eingespielt hat.
Druckfähig
Die Choralbearbeitung zu „O Lamm Gottes unschuldig“
gehört zu Bachs frühesten Orgelwerken, und im Präludium
und Fuge C-Dur blitzt ein großes Vorbild durch: Georg
Böhm, bei dem Bach höchstwahrscheinlich in Lüneburg in
die Lehre gegangen ist. Der fleißige Böhm hinterließ ein
umfangreiches Werk, und es ist kein Zufall, dass sein g-
Moll-Präludium 150 Jahre später bei der Wiederentdeckung
der norddeutschen Orgelmusik ganz vorne mit dabei war.
Selbst Robert Schumann war beeindruckt!
Fersengeld
Wirklich einmalig ist die enorme Bandbreite der Lüneburger
Orgelmusik: Während mit Johann Steffens einer der ersten
Vertreter der „Norddeutschen Orgelschule“ bereits vor 1600
als berühmter und hochdotierter Künstler in Lüneburg wirkte,
reicht der Bogen bis zu Johann Christoph Schmügel, der bei
Telemann studiert hatte. Allerdings kehrte Schmügel bereits
1766 Lüneburg den Rücken: der Stadt war das Geld
ausgegangen und konnte seine Orgel nicht in einem seinem
künstlerischen Rang entsprechenden Zustand erhalten…
Ruhestörung
Die großartige Stellwagen-Orgel in der Stralsunder
Marienkirche zeigt sich bei dieser Aufnahme von ihrer
besten Seite. Der schier unerschöpfliche Farbenreichtum
des Instruments gewinnt durch den Einsatz von Calcanten,
die an Stelle des heute üblichen Elektromotors die gewaltige
zwölfbälgige Luftanlage unter Druck setzen, eine zusätzliche
Dimension: Der fußbetriebene Luftstrom sorgt für einen so
ruhigen Klang, dass selbst die Nachtigall, die in der Kirche
wohnt, erst zu später Stunde zu tirilieren beginnt. Sehr zum
Verdruss von Tonmeister und Organist, die um diese
verkehrsfreie Zeit eigentlich die leisen Stücke aufnehmen
wollten…