Freihafen
Weltoffen und bodenständig, großzügig, dabei auf
Wirtschaftlichkeit bedacht: Das stolze Hamburg tritt
auch musikalisch selbstbewusst auf. Die Liste der
Kantoren und Organisten an Hamburgs Hauptkirchen
liest sich wie das „Who´s Who“ der Orgelkunst des
17. und 18. Jahrhunderts: Matthias Weckmann,
Vincent Lübeck, Heinrich Scheidemann, später dann
Georg Philipp Telemann und Carl Philipp Emanuel
Bach wirkten in Hamburg und brachten das
Musikleben der Stadt zu einer beispiellosen Blüte.
Martin Rost führt in der dritten Folge der
„Norddeutschen Orgelkunst“ durch das goldene
Zeitalter hanseatischer Musikpflege.
Wasserscheide
Hamburgs Verbindungen in alle Welt begünstigten die
glückliche Entwicklung der Orgelmusik: Jacob
Praetorius und Heinrich Scheidemann konnten beim
berühmten Sweelinck in die Lehre gehen, Matthias
Weckmann wiederum war gut mit dem Frescobaldi-
Schüler Froberger bekannt und brachte
mitteldeutsche sowie italienische und französische
Einflüsse in die Hansestadt. Auf großartige Weise
fasst Scheidemanns Nachfolger Johann Adam
Reincken diese Stile zusammen: Seine gewaltige
Fantasie über „An Wasserflüssen Babylon“ ist in ihrer
Dimension ohne Beispiel; kein Geringerer als Johann
Sebastian Bachs überlieferte das Werk in einer
Abschrift.
Wendestelle
Revolutionäres ist dem Hamburger fremd – und in
Verbindung mit kaufmännischer Vernunft wurden die
hochwertigen Instrumente niederländischer Bauart
nicht einfach ersetzt, sondern behutsam erweitert und
den Bedürfnissen des 17. Jahrhunderts angepasst.
Insbesondere Hans Scherer und Gottfried Fritzsche
stehen für die Weiterentwicklung der Hamburger
Großorgeln, bevor mit Arp Schnitger ein Orgelstil
eingeleitet wird, der weniger auf den polyphonen
Feinklang, dafür auf Klarheit des Gemeindegesangs
zugeschnittenen wird.
Windjammer
Martin Rost ist der herausragende Kenner der
norddeutschen Orgelmusik. Sein „Hausinstrument“ ist
die Orgel in St. Marien in Stralsund, die von
Fritzsches Schwiegersohn Stellwagen 1659 erbaut
wurde und so die hanseatische Orgeltradition
meisterhaft fortsetzt. Besondere Erwähnung sollen die
vier Calcanten finden, die unermüdlich in
authentischem Handbetrieb die 12 Keilbälge der
Orgel betätigten.