Zugegeben: so richtig kennen wir das Kulturleben in unserem Nachbarland nicht. Dass die Zeiten für
Kulturschaffende derzeit in Holland von der Obrigkeit verordnet ganz besonders ernst sind, wissen wir
allenfalls aus einigen versteckten Schlagzeilen. Umso mehr muss man Doris Hochscheid und ihrem
Klavierpartner Frans van Ruth für den Mut und die künstlerische Vehemenz gratulieren, mit der sie
ungeahnte Kostbarkeiten der Celloliteratur auffinden und in dieser hochkarätigen Serie publizieren.
Zupackende Rhythmen - spätromantischer Schmelz
Serie der niederländischen Cellosonaten mit neuen Überraschungen
Dabei liegt der besondere Reiz der niederländischen Musik in einer seit Jahrhunderten gelebten
Eigenständigkeit. Diese kam in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts ins Bewusstsein, bei den
Komponisten und Musikern setzte eine Besinnung auf die eigene Nationalität ein.
Die Komponisten der vorliegenden Folge lebten alle am Wechsel zum 20. Jahrhunderts, und sie
konnten schon wieder einen anderen Weg einschlagen: “…nationale Musik kann nur ein
untergeordnetes Interesse wecken“, sagt Dirk Schäfer. Seine 1909 im Concertgebouw uraufgeführte
Cellosonate op. 13 zeigt eine reiche, schwelgerisch vorwärtsstrebende Polyphonie. Henriëtte
Bosmans‘ 10 Jahre später uraufgeführte Sonate lebt auch noch in der romantischen Tradition, wenn
gleich ihre spätere Vorliebe für zupackende rhythmische Strukturen z. B. im Schlusssatz (im 5/8
Takt) schon aufblitzt. Eine hübsche Dreingabe sind die drei Charakterstücke von Gérard Hekking,
die tänzerisch und mit viel Spielwitz serviert werden.
Allen Werken ist eine faszinierende Kenntnis der spieltechnischen Möglichkeiten und der
klangfarblichen Palette eigen: Kein Wunder, alle drei Komponisten dieser Folge waren hervorragende
und bejubelte Virtuosen, Dirk Schäfer und Henriëtte Bosmans als Pianisten und Gérard Hekking,
der von 1903 bis 1914 Solocellist am Concertgebouw-Orchester war.