Senkrechtstarter
Anton Rubinstein war gefeierter Klaviervirtuose,
gefragter Dirigent und – ganz nebenbei – einer der
erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit. Seine
zweite Sinfonie „Ozean“ erlebte über 200
zeitgenössische Aufführung, so viele wie kaum ein
anderes Werk. Aus dem reichhaltigen Repertoire
einer jahrelangen, äußerst erfolgreichen
Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester
Wuppertal hat MDG diese Sinfonie jetzt frisch
aufgelegt, zusammen mit weiteren hochkarätigen
Kompositionen des russischen Romantikers. Mit
dabei der damals noch weitgehend unbekannte
Alban Gerhardt, der mit Rubinsteins Cellokonzert
für riesiges Aufsehen sorgte.
Kulturfolger
Als reisender Virtuose war Rubinstein
selbstverständlich auf der Höhe der Zeit – und
manchmal ihr gar voraus: Sein Cellokonzert ist
tatsächlich der erste russische Beitrag zur Gattung,
und auch die erste russische Sinfonie stammt aus
seiner Feder. Dass der weltgewandte Meister
keinerlei Berührungsängste mit fremden Kulturen
kannte, zeigen die orientalischen Klänge in „Der
Dämon“ ebenso wie die blökende Schafherde aus
„Don Quixote“.
Entertainer
Und auch verkniffene Angst vor der großen Geste
war ihm offenbar fremd: Die „Ouverture triomphale“
macht mit Piccoloflöten, Gran Cassa und
sonstigem Tschingderassabum ihrem Namen alle
Ehre. Dass das Publikum in seinen Konzerten den
Eindruck eines eruptiven Naturereignisses hatte
und anschließend ebenso erschöpft nach Hause
ging wie der Pianist selbst, wird angesichts
derartiger emotionaler Energie sofort verständlich.
Spitzenreiter
Das Sinfonieorchester Wuppertal versteht es
blendend, diese Energie auf dem Podium zu
entfesseln. George Hanson lässt seinen Musikern
freien Lauf, und die legendäre Akustik der
Historischen Stadthalle am Wuppertaler
Johannisberg tut ihr Übriges, um auch die
Musikfreunde im heimischen Wohnzimmer mit
ursprünglicher Musikalität zu überwältigen –
Bravi, bravissimi!